Ein Opfer Der Hormone
„Er/sie ist ein Opfer der Hormone“ oder „Die Hormone spielen verrückt“… Solche Redewendungen verdeutlichen, dass Hormone einen starken Einfluss auf uns und unser Leben haben und dass wir selbst die Produktion nicht wissentlich beeinflussen können. Wir sind ihnen sozusagen „ausgeliefert“. Obige Sätze beziehen sich auf die Zeit der Geschlechtsreife bei Jugendlichen und auf die Wechseljahre bei Frauen und ggf. Männern. Hormone spielen jedoch nicht nur im Bereich der Fortpflanzung eine Rolle, sondern sie haben nahezu in jedem Funktionskreis des Körpers eine Schlüsselrolle inne. In letzter Zeit rücken die Hormone immer mehr in den Focus der gesundheitsbewussten Öffentlichkeit. Daraus ergeben sich einige Fragen:
Hormone – was ist das überhaupt genau?
- Was sind Hormone?
- Welches sind ihre Aufgaben in unserem Körper?
- Wie äußern sich Störungen in der Hormonproduktion?
- Hormone – ein brandaktuelles Thema – Warum gerade jetzt?
- Was hat speziell die Regulationsmedizin über Hormone zu sagen?
Alles ist Kommunikation
Hormone sind ein Kommunikationsträger im Blut. Das Wort Hormon bedeutet „Botenstoff“. Der Begriff stammt aus dem Griechischen und bezeichnet wörtlich „in Bewegung kommen“ und „antreiben“. Verantwortlich für die Produktion der Hormone ist unser Gehirn. Im Hypothalamus und in der Hypophyse werden Hormone gebildet, die die Produktion weiterer benötigter Hormone steuern: vor allem die in der Schilddrüse, die als Taktgeber aller Hormone bezeichnet wird; weiterhin in den Eierstöcken, den Hoden und in den Nebennieren. Die Hormone „reisen“ in den Blutbahnen zu bestimmten Ziel-Zellen im Körper, wo sie – und auch Kombinationen aus ihnen – ebenso lebensnotwendige wie vielfältige Aufgaben erfüllen: Sie sind stark beteiligt an der Fortpflanzung, am Zuckerstoffwechsel, Energiehaushalt, steuern die Reaktionen des Körpers bei Gefahr u.a.ii Eine zentrale Rolle beim Funktionieren des Körpers erfüllt das Stresshormon Cortisol, das in den Morgenstunden vermehrt ausgeschüttet wird und uns morgens aufwachen lässt. Cortisol befähigt uns, aus der Ruhe in den „Aktionsmodus“ zu gelangen. Herzschlag und Blutdruck werden gesteuert. Cortisol ist ein lebenswichtiges Hormon. Die Hormone haben also entscheidenden Einfluss auf unseren Körper. Wohlbefinden und Gesundheit hängen von ihnen ab. Sie halten den „Laden am Laufen“.
Aber was, wenn es nicht so läuft mit den Hormonen?
Leiden wir unter einer Über- oder Unterproduktion von Hormonen, treten vielgestaltige, oft diffuse Störungen auf. Die Ursachen dafür sind schwer aufzuspüren; und so werden sie, z.B. Übergewicht als Symptom einer Schilddrüsen-Unterfunktion, häufig einfach der Erblast zugeschrieben.
Das wichtigste Organ, das neben dem Gehirn Hormone produziert, ist die Schilddrüse, die auch als „Taktgeberin der Hormone“ bezeichnet wird. Bei Fehlfunktionen unterscheiden wir eine Überfunktion, Hyperthyreose, und eine Unterfunktion, die Hypothyreose.
Hyperthyreose, Symptome:
- erhöhte Herzfrequenz und erhöhter Blutdruck
- erhöhte Stuhlfrequenz mit durchfallartiger Konsistenz
- Schlafstörungen
- Unruhe
- Überagilität
- Schwitzen
Hypothyreose, Symptome:
- niedrige Herzfrequenz
- Verstopfung
- Antriebslosigkeit, Müdigkeit
- Wenig oder keine Monatsblutung
- Gewichtszunahme
Bei Störungen des Stresshormons Cortisol treten vergleichbare Symptome auf. Zyklusstörungen, Empfängnisstörungen der Frau, Erektionsstörungen, Impotenz des Mannes – das sind so gut wie immer Störungen der Hormonproduktion. Auch der Ernährungshaushalt, speziell der Zuckerhaushalt – kann beeinträchtigt sein: Ist die Ausschüttung von Insulin gestört bzw. findet gar nicht statt, handelt es sich um angeborene oder erworbene Diabetes. Diabetes ist eine lebensbedrohliche Erkrankung.
Hormone – aktuell wie nie
Die kleinen Botenstoffe spielen also eine zentrale Rolle in unserem Körper. Seit etwa 100 Jahren wird ihr Wirken erforscht. Aber warum stehen sie genau jetzt – mehr denn je – im Focus der gesundheitsorientierten Öffentlichkeit und der von Ärzten, Ärztinnen und Patienten/Patientinnen?
Vor allem ist das der Erkenntnis zuzuschreiben, dass in zahlreichen Gebrauchs-gegenständen, zum Beispiel in Plastik (Plastikflaschen, Plastikspielzeug und anderen Plastikerzeugnissen) ebenso wie in vielen Kosmetika, sogar in Lebensmitteln, hormonwirksame Stoffe enthalten sind. Diese werden als endokrine Disruptoren (ED) bezeichnet. Davon sind rund 800 verschiedene Substanzen bekannt.iii Auch das Bundesumweltamt äußert sich zu diesen Stoffen und ihrer Wirkung: „Durch ihre Fähigkeit hormonelle Vorgänge zu beeinflussen, werden ED als eine mögliche Ursache für das vermehrte Auftreten von hormonabhängigen Tumoren (Prostata-, Hoden- und Brustkrebs), von Stoffwechselerkrankungen (Diabetes mellitus, Adipositas) sowie von Verhaltensauffälligkeiten (Autismus, Aufmerksamkeitsdefizit-(Hyperaktivitäts-)-Syndrom (AD(H)S)) und neurologischen Erkrankungen (Alzheimer, Demenz) diskutiert. Des Weiteren scheinen sie ein früheres Einsetzen der Pubertätsentwicklung, das Auftreten von Fehlbildungen der männlichen und weiblichen Geschlechtsorgane sowie eine abnehmende Fertilität durch eine sinkende Spermienqualität zu begünstigen.“iv Das Umweltbundesamt versieht diese Warnung mit dem Hinweis, dass der wissenschaftliche Nachweis eines Zusammenhanges von ED mit diesen Erkrankungen noch nicht erbracht ist (da z.B. eine lange Zeit zwischen der Einwirkung der EDs und der Erkrankung liegt). Die Warnung durch das Umweltbundesamt ist jedoch klar ausgesprochen.
Weitere unheilvolle Folgen können auch durch hormonhaltige Medikamente, z.B. die Pille drohen.
Die verschiedenen Pillenerzeugnisse (z.B. Evaluna, Maxim, Swingo20) führen auf ihren Beipackzetteln „Stimmungsschwankungen und Depression“ auf. Dazu wurde vom Bundesamt für Arzneimittel und Medizinprodukte am 21.01.2019 eine Warnung herausgegeben.v Unruhezustände und Schlafstörungen sind ebenfalls als mögliche Nebenwirkungen der Pille im Gespräch.
Hormone sind also in aller Munde. Verschiedene Labore, z.B. Censa – Centrum für Speichelanalyse, bieten einen Speicheltest an, damit Menschen prüfen können, ob ihre Hormone im Gleichgewicht sind. Aber was tun Menschen dann mit der Information über ihre Hormone?
Das Plus der Regulationsmedizin
Jeder gute Mediziner, jede Medizinerin – unabhängig von der medizinischen Ausrichtung – sollte daran interessiert sein, dass die Hormone ihrer Patientinnen und Patienten im Gleichgewicht sind.
Das PLUS der Regulationsmedizin ist zum einen, dass sie sich der Komplexität des Wirkens der Hormone, ihrer Rückkopplungssysteme und Kombinationen sehr bewusst ist. Daher ist die Gabe von Hormonen bei einem Mangel oder einem Überschuss eines Hormons nicht der erste Weg der Wahl. Vielmehr steht die Suche nach natürlichen, z.B. pflanzlichen Hilfsmitteln und die Vermeidung von chemisch produzierten Hormonen im Zentrum der Behandlung. Und schließlich beschäftigt die Regulationsmedizin immer die Frage nach den Ursachen einer Störung – auch einer Hormonstörung.
iiVgl. www.stiftung-gesundheitswissen.de/gesundes-leben/koerper-wissen-das -hormonsystem-der-postdienst-des-körpers, 13.05.2022.
iii Vgl. Preuk, Monika: Übergewicht, Allergien, Krebs- Umwelthormone machen uns krank. www.focus.de/gesundheit/ratgeber/hormone/plastik-noch-riskanter-als-gedacht-jeder-ist-damit-belastet-so-gefaehrlich-sind-umwelthormonel,21.07.2019.
iv https://www.umweltbundesamt.de/themen/gesundheit/umwelteinfluesse-auf-den-menschen/chemische-stoffe/umwelthormone#zunahme-hormonabhangiger-erkrankungen-und-abnahme-der-fertilitat vom 21.10.2022
v www.bfarm.de/SharedDocs/Risikoinformationen/Pharmakovigilanz/DE/RHB/2019: Rote-Hand-Brief zu hormonellen Kontrazeptiva. 30.09.2021
Über den Autor:
Dr. med. Arne Ströhlein
war jahrelang in der Abteilung interdisziplinäre Schmerztherapie der Universität Witten-Herdecke an der Vestischen Kinder- und Jugendklink in Datteln tätig. Er bildete dort im Bereich Schmerztherapie mit Schwerpunkt Chinesischer Medizin und Akupunktur, außerdem bei der deutschen Gesellschaft für Traditionelle Chinesische Medizin (DGTCM.de), Universität Porto und der Universität Magdeburg (Abteilung Allgemeinmedizin) Ärzte, Studierende und weitere Personen des Gesundheitssystems fort.